Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. Der deutsche Fußball greift dieses Ereignis seit nunmehr 20 Jahren um den 27. Januar herum auf und gedenkt der von den Nationalsozialisten verfolgten, deportierten und ermordeten Menschen.
„Nie wieder!“ – das ist der Appell der Überlebenden der Konzentrationslager an die nachfolgenden Generationen. Dieser Appell ist umso wichtiger in unserer heutigen Zeit, da antisemitische Vorfälle wieder zunehmen. Als Fußball- und Sportgemeinschaft stellen wir uns der Verantwortung, jeder Form von Antisemitismus entschieden entgegenzutreten. Nie wieder – zwei Worte, die so aktuell sind wie selten zuvor.
Geschichte des Antisemitismus & Solidarität mit Israel
Antisemitismus gibt es seit mehr als 2000 Jahren. Die Geschichte des jüdischen Volkes ist seither immer wieder geprägt von Unterdrückung, Vertreibung und Verfolgung. Seinen entsetzlichen Höhepunkt fand der Antisemitismus in der Schoah, der Ermordung von über sechs Millionen Jüdinnen und Juden durch das NS-Regime. Als sicherer Hafen frei von Antisemitismus für alle Jüdinnen und Juden wurde 1948 der Staat Israel gegründet. Bis heute wird dessen Existenzrecht vielfach angezweifelt. Der Terroranschlag der Hamas, die Ermordung und Verschleppung hunderter Jüdinnen und Juden sowie das Ziel der Vernichtung Israels zeigt dies deutlich. Die Entwicklungen im Nahen Osten bekommen auch Jüdinnen und Juden in Deutschland zu spüren. Seit dem 7. Oktober kommt es noch einmal vermehrt zu antisemitischen Vorfällen.
Für die Einordnung antisemitischer Vorfälle ist ein gemeinsames Verständnis notwendig. Dieses liefert die internationale Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA): „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“
Fußball und Antisemitismus
Es waren auch Jüdinnen und Juden, die den Fußball in Deutschland populär gemacht haben. Besonders hervorzuheben ist Walther Bensemann – einer der wichtigsten Pioniere des Fußballs hierzulande. Er richtete 1898 das erste Länderspiel in Deutschland aus, war an der Gründung des Deutschen Fußball-Bundes und des Fußballmagazins „Der Kicker“ (heute: „kicker“) beteiligt. Seine Vision: Fußball als verbindende Kraft zwischen Nationen und gesellschaftlichen Schichten nutzen. Zahlreiche umjubelte Fußballgrößen wie der deutsch-jüdische Nationalspieler Julius Hirsch prägten den frühen Fußball.
Jüdinnen und Juden waren auch hierzulande immer wieder von Ausgrenzung betroffen und gründeten auch deshalb bereits Anfang des 20. Jahrhunderts eigene Sportvereine. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde ihnen das Sporttreiben außerhalb jüdischer Sport- vereine gänzlich verboten. So gründeten sich ab 1933 eine Vielzahl neuer jüdischer Sportvereine, die im Anschluss an die Novemberpogrome 1938 wiederum verboten wurden. Einige dieser Vereine wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als notwendiger Schutzraum für jüdische Sportlerinnen und Sportler wieder ins Leben gerufen, beispielsweise unter dem Dachverband „Makkabi“.
Der Antisemitismus in Deutschland endete aber nicht mit dem Fall der Nationalsozialisten. Auch heute erleben wir antisemitische Diskriminierungen auf und neben dem Platz. Das erleben die Makkabi-Vereine auch nach dem Terroranschlag in Israel: Vielfach müssen Spiel- und Trainingsbetrieb aus Sicherheitsgründen vorübergehend eingestellt werden.
Was kann der Fußball tun?
Der Fußball hat eine gesellschaftliche Verantwortung. Er bringt zahlreiche Menschen zusammen und nutzt seine Strahlkraft, dabei zu helfen, dass sich ein dunkles Kapitel der Geschichte nicht wiederholt. Viele Clubs begeben sich bereits auf Spurensuche und versuchen, ihre Rolle zur Zeit des Nationalsozialismus und ihr Mitwirken am Ausschluss von Jüdinnen und Juden aufzuarbeiten. Vielfach werden die historischen Wurzeln der Vereine von Mitarbeitenden, Fanprojekten und Fans erfolgreich erforscht. An verschiedenen Standorten sind verfolgte Spieler und Clubverantwortliche in das Vereinsgedächtnis zurückgeholt worden.
Die Initiative „!NieWieder“ engagiert sich seit 20 Jahren gegen das Vergessen, für eine würdige Gedenkkultur und Stadien ohne Diskriminierung. Die Aufforderung lautet: Wehret den Anfängen, zeigt Haltung, wendet euch gegen jeden Antisemitismus, lasst ihn nicht tatenlos und unwiderspro- chen geschehen – in den Stadien und darüber hinaus!
Der vorliegende Aufruf wurde verfasst von der Initiative „!NieWieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“. Das Netzwerk aus Fangruppen, Fanprojekten, antirassistischen Bündnissen, Amateur- und Proficlubs, der DFL und des DFB, sowie zahlreichen Personen und Institutionen aus der Zivilgesellschaft, organisiert den „Erinnerungstag im deutschen Fußball“, an den Spieltagen um den 27. Januar. Kernpunkte der Kampagne sind das Erinnern an das unendliche Leid, das Millionen Menschen in der NS-Zeit erfahren mussten. Ein besonderer Blick gilt den preisgegebenen Mitgliedern der Fußballfamilie, sowie die unbedingte Forderung, alles heute zu tun, „dass Auschwitz nie mehr sei!“. Darüber hinaus versteht sich die Kampagne als historischen und politischen Lern- und Aktionsort, an dem sich Menschen, die den Fußball lieben, generationsübergreifend, mit klugen und kreativen Aktionen im Stadion und in der Zivilgesellschaft für ein demokratisches, den Menschenrechten verpflichtetes Gemeinwesen, engagieren.