Mit Niederlagen in Braunschweig und Offenbach sowie einem knappen 1:0 gegen Werder Bremen II war der VfL in die Saison 2009/10 gestartet. Wahrlich kein optimaler Auftakt und am 4. Spieltag gastierte der FC Ingolstadt an der Bremer Brücke. Nach einer guten halben Stunde stand es 2:0 für die Schanzer. Doch dann drehten die Lila-Weißen das Spiel. Und auch gleich die ganze Saison.

Für Trainer-Urgestein Horst Köppel, der damals an der Seitenlinie der Ingolstädter Regie führte, gab es keinen Grund, seine Startformation zu ändern. Schließlich hatten die Ingolstädter eine Woche zuvor mit 5:0 gegen Rot-Weiß Erfurt gewonnen. Sein Gegenüber Karsten Baumann schickte nach dem 0:2 am Bieberer Berg Benjamin Siegert und Niels Hansen für Alexander Schnetzler und Dennis Schmidt aufs Feld. Der Wechsel zahlte sich allerdings nicht aus. Der VfL kam in der ersten halben Stunde nur selten vor das gegnerische Tor. Ganz im Gegensatz zu den Schanzern, die in der 24. Minute durch Andreas Buchner in Führung gingen. Nur sieben Minuten später verwertete Markus Karl einen Freistoß per Kopf zum 2:0.

Bei den 8.000 Zuschauern machte sich Frustration breit. Doch der zweite Treffer der Gäste war offenkundig nur eine Initialzündung für die Lila-Weißen, die sich auf der Bank und auf dem Spielfeld umgehend bemerkbar machte. Zunächst korrigierte Karsten Baumann seine Aufstellung und wechselte Dennis Schmidt nach nur einer halben Stunde wieder für Niels Hansen ein. Fast zeitgleich peilte Björn Lindemann das Ingolstädter Tor an und traf aus gut 25 Metern zum Anschlusstreffer für die Lila-Weißen.

Nach dem Seitenwechsel drehte der VfL erst richtig auf. In der 54. Minute landete eine Flanke von Thomas Reichenberger auf dem Kopf von Dennis Schmidt, der das längst verdiente 2:2 erzielte. Zehn Minuten später bewies Björn Lindemann dann, dass er den Ball auch aus ruhender Position im gegnerischen Kasten unterbringen konnte. Sein Freistoßtor brachte den VfL erstmals in Front und der Spielmacher der Lila-Weißen hatte noch immer nicht genug. In der 83. Minute hämmerte er den Ball zum dritten Mal in die Maschen. Weil er an diesem Tag einfach keine Zweifel mehr hatte – wie „Linde“ ein paar Tage danach, im Interview mit dem VfL-Stadionmagazin „DRIN!“, zu Protokoll gab.

Hinter dem ersten Schuss saß tatsächlich eine ganze Menge Frust. Aber der Freistoß war so geplant. Kurz vorher ist Tobias Nickenig zu mir gekommen und hat gesagt: „Zieh durch auf den ersten Pfosten!“ Ab und zu hat Tobi richtig gute Ideen, und dann macht er auch sinnvolle Vorschläge … Beim letzten Tor habe ich gedacht: „Ach komm, der geht jetzt auch noch rein!“ Es lief halt alles rund.

Matthias Heidrich machte mit einem Flachschuss kurz vor dem Abpfiff den Deckel auf diese außergewöhnliche Partie.

Der 5:2-Erfolg elektrisierte die Bremer Brücke auf Wochen und Monate. In spektakulären DFB-Pokalspielen bezwangen Baumanns Schützlinge den Hamburger SV und Borussia Dortmund. Von den folgenden 17 Liga-Heimspielen gewann der VfL 13, nur das Spiel gegen den VfB Stuttgart II (und das Viertelfinale gegen Schalke 04) gingen in dieser Saison vor eigenem Publikum verloren. Diese starke Bilanz war denn auch der Grundstein für die Meisterschaft und die direkte Rückkehr in die 2. Bundesliga. Björn Lindemann, der heute den Regionalligisten SSV Jeddeloh II trainiert, trug mit acht Toren und 12 Vorlagen entscheidend zum Aufstieg der Lila-Weißen bei.

Aber auch die Schanzer, die 2009 mit dem VfL aus dem Fußball-Unterhaus abgestiegen waren, konnten den Rückschlag postwendend korrigieren. Sie wurden nach 38 Spieltagen – nicht mehr mit Horst Köppel, aber mit seinem ehemaligen Assistenten Michael Wiesinger – Tabellendritter und gewannen anschließend die Relegation gegen Hansa Rostock.


Text: Thorsten Stegemann

Fotos: osnapix