Am Montagabend wurde ein VfL-Bündnis aus VfL-Museum, Fanabteilung des VfL Osnabrück e.V., Fanprojekt Osnabrück und Violet Crew im Frankfurter Gesellschaftshaus am Palmengarten im Rahmen eines feierlichen und nachdenklichen Festakts mit dem Julius Hirsch Preis geehrt. Die NOZ nennt den Preis den „Nobelpreis für sportpolitisches Engagement und Toleranz sowie gegen Rassismus und Judenhass“. Die Osnabrücker stehen damit in einer Reihe mit dem FC Ente Bagdad aus Mainz, dem Fanprojekt der Stuttgarter Kickers – und den Punk-Urgesteinen von „Die Toten Hosen“.
„Unter dem Motto ’Tradition lebt von Erinnerung’ setzt das Bündnis rund um den VfL Osnabrück ein Zeichen, das in die gesamte Stadtgesellschaft und darüber hinaus wirkt.“ So erklärte Julia Hirsch in ihrer Laudatio, wieso Osnabrück die Auszeichnung erhalten hat. Die Urenkelin des jüdischen Nationalspielers und Namensgebers des Preises, der 1910 mit dem Karlsruher FV und 1914 mit der Spvg. Fürth Deutscher Meister wurde und später von den Nazis in den Tod getrieben worden ist, ergänzte: „So geht Erinnerungskultur: Gemeinsam, glaubwürdig – und deshalb nachhaltig.“
Tradition lebt von Erinnerung
Der Zusammenschluss, der in den jeweiligen Projekten je nach Bedarf zusammenarbeitet, bewarb sich unter dem Titel, der zugleich Leitspruch unseres 120-jährigen Vereinsjubiläums ist: Tradition lebt von Erinnerung. Doch dieses Motto füllten nicht nur die beteiligten Akteure, sondern auch die zahlreichen Besucher der angebotenen Veranstaltungen mit Leben.
Ein breites Angebot
So war die Fanabteilung Ausrichter eines Vortragsabends mit Heiko Schulze und David Kreutzmann zur Frühgeschichte des VfL und zur Zeit des Nationalsozialismus während das Fanprojekt Osnabrück mit dem Lernort Bremer Brücke und der Aktionswoche „!Nie wieder!“ ein außerschulisches Lernangebot schuf, das bei zahlreichen Schulklassen breiten Anklang fand. Öffentlich wahrnehmbar und von mehreren hundert Personen besucht war auch die Benennung des Felix-Löwenstein-Weges, die Bernhard Lanfer vom VfL-Museum maßgeblich vorantrieb. Der Straßenname hält die Erinnerung an den jüdischen Obmann und Mäzen der Lila-Weißen wach, der dem VfL unter den Nazis nicht mehr angehören durfte und später auf einem Todesmarsch zwischen den Konzentrationslagern verstarb.
Auch die Gestaltung einer ausführlichen Gedenkbroschüre zum Leben des jüdischen VfL-Mitglieds Löwenstein wurde vom DFB besonders gewürdigt.
In Osnabrück und beim VfL ist kein Platz für Rassismus
Mit der Stiftung des Julius Hirsch Preises erinnert der DFB seit 2005 jährlich an den deutsch-jüdischen Fußball-Nationalspieler Julius Hirsch (1892 – 1943) und an alle Opfer des nationalsozialistischen Unrechtsstaates. Ausgezeichnet werden damit „Personen, Initiativen und Vereine, die sich als Aktive auf dem Fußballplatz, als Fans im Stadion, im Verein und in der Gesellschaft beispielhaft und unübersehbar für die Unverletzbarkeit der Würde des Menschen, gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung sowie für die Verständigung von Menschen einsetzen.“
Einer, der noch aus der Zeit des Nationalsozialismus berichten kann, ist Zvi Cohen. Die Geschichte des Juden, der als Kind SS-Schergen, die ihn abführen wollten, mit seinem Mundharmonikaspiel so beeindruckte, dass seine Familie zusammenbleiben durfte und das KZ überlebte, ist inzwischen durchaus bekannt. Als Cohen am Montagabend rief: „Hier stehe ich als freier Jude in der Welt. Da vorne ist mein Bruder, dem meine Eltern erst nach dem Krieg das Leben schenkten – – und bewusst nicht Hitler. Wir sagen: Nie wieder!“, gab es lang anhaltenden Beifall und Standing Ovations.
„Neben diesem ’Nie wieder’ kam die zweite wichtige Botschaft des Abends vom VfL“, sagte Sebastian „Breiti“ Breitkopf. Der Gitarrist der Toten Hosen, die für ihre klare Haltung gegen Rechts in über 30 Jahren Bandgeschichte den Ehrenpreis erhielten, meinte einen Satz, der im Einspielfilm zum Osnabrücker Bündnis gefallen war: Bewusstsein zu verändern, brauche Zeit und Nachhaltigkeit. „Aktionen wie die Benennung des Loewenstein-Weges setzen Energien frei, sich wieder mehr Gedanken zu machen darüber, was damals falsch gelaufen ist“, sagte Historiker Heiko Schulze als Repräsentant der Osnabrücker Delegation auf der Bühne. „Wir hoffen, dass auch bei uns weitere Initiativen folgen, die unsere Haltung verfestigen“, ergänzte Schulze, durchaus auch mit Blick auf die in Deutschland wieder zunehmende Hetze gegen Minderheiten, auch aber nicht nur in den sozialen Netzwerken.
Mit Material der Neue Osnabrücker Zeitung // Benjamin Kraus