Bevor das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1954 angepfiffen wurde, war es eigentlich schon entschieden. Der 1. FC Kaiserlautern hatte den Titel bereits 1951 und 53 gewonnen, galt gegen Hannover 96 als haushoher Favorit und trat mit fünf Nationalspielern an, die bald darauf zur Weltmeisterschaft in die Schweiz reisen sollten. Doch es kam alles ganz anders.

Die „roten Teufel“ hätten gewarnt sein müssen, schließlich hatte Hannover – im Gegensatz zum Hamburger SV und zum VfL Osnabrück, die auf den Plätzen 11 und 12 landeten – eine überragende Oberliga-Saison gespielt, nur vier von 30 Spielen verloren und den Vizemeister FC St. Pauli deutlich distanziert.
Auch in der Endrunde, die wegen der bevorstehenden Weltmeisterschaft auf sechs Teilnehmer reduziert wurde, gab sich 96 keine Blöße. 2:1 gewannen die Schützlinge von Helmut „Fiffi“ Kronsbein gegen den Berliner SV 92, der VfB Stuttgart wurde mit 3:1 besiegt. Am 23. Mai 1954 kam es dann in Hamburg zum Finale gegen den 1. FC Kaiserlautern, der sich gegen Eintracht Frankfurt und den 1. FC Köln durchgesetzt hatte.

60 Minuten vor dem Anpfiff gingen wir auf den Platz zum Aufwärmen raus. Ich war so nervös, dass ich gefühlte siebenmal auf die Toilette ging. Ich weiß noch genau, wie ruhig mir die FCK-Spieler erschienen und ich erinnere mich noch ganz genau daran, dass sie alle unrasiert waren. Vor dem Anpfiff kam Bundestrainer Sepp Herberger in unsere Kabine. Er sah uns alle zum ersten Mal (…). Dann ging es raus zum Spiel in das prall gefüllte Stadion

Hannes Tkotz (1925-2017) – von 1949-59 Stürmer bei Hannover 96

Knapp 80.00 Zuschauer warteten auf die nächste Meisterfeier der roten Teufel und nach 13 Minuten schien alles den erwarteten Verlauf zu nehmen. Horst Eckel traf mit einem satten Schuss von der Strafraumgrenze zum 1:0 für den Südwest-Meister. Doch die Niedersachsen zeigten sich unbeeindruckt und spielten weiter mutig nach vorne. Kurz vor dem Pausenpfiff gelang Hannes Tkotz der verdiente Ausgleichstreffer – die Partie war wieder völlig offen.

In der Kabine herrschte Ruhe. Fiffi war nervös und rannte aufgeregt von einer Ecke in die nächste. Er motivierte uns: Macht weiter so! Ihr habt Sie im Sack! Noch ein Gegentor und sie brechen ein! Wir Spieler waren wie in Trance.

Hannes Tkotz

Drei Minuten nach Wiederanpfiff begann das Spiel endgültig zu kippen. Ein Eigentor von Nationalspieler Werner Kohlmeyer brachte die Niedersachsen in Front. Kaiserslautern fand gegen den leidenschaftlich kämpfenden Underdog kein Mittel mehr und kassierte in der letzten Viertelstunde durch einen Abstauber von Heinz Wewetzer sowie Kopfbälle von Helmut Kruhl und Rolf Paetz drei weitere Treffer.

5:1 hieß es am Ende – Hannover 96 feierte nach 1938 den zweiten Meistertitel seiner Vereinsgeschichte. Was Bundestrainer Herberger durch den Kopf ging, als er seine Leistungsträger so sang- und klanglos untergehen sah, kann nur vermutet werden.
Falls er sich Sorgen machte, waren sie umsonst. Denn für die fünf Lautrer Nationalspieler war die Schmach von Hamburg sechs Wochen später Geschichte. Am 4. Juli 1954 wurden sie Fußball-Weltmeister und gingen als „Helden von Bern“ in die Geschichte ein.

Text: Thorsten Stegemann

Bild und Zitate von Hannes Tkotz: www.hannover96.de