Der nunmehr 100. Teil unserer historischen Reihe „Brückenschlag“, die wir im Jahr 2019 begonnen haben, fällt mit einem denkwürdigen Vereinsjubiläum zusammen. Heute vor 125 Jahren wurde der „Fußballclub 1899“ gegründet.
Die Geburtsstunde des VfL Osnabrück schlug an diesem 17. April 1899, doch bis die Kicker aus der Hasestadt unter dem heute bekannten Namen aufliefen, sollte noch ein gutes Vierteljahrhundert ins Land ziehen. An der Wiege der Osnabrücker Fußballhistorie war von einem „Verein für Leibesübungen“ keine Rede. Stattdessen tauchte der „Fußballclub 1899“ aus der Masse der nur lose organisierten Freizeitfußballer auf, die sich „Germania“, „Antipodia“ oder „Minerva“ nannten. Erster Vorsitzender des FC, der bereits im Jahr 1900 gegen eine auswärtige Mannschaft antrat und sich 1:1 vom FC Brema Bremen trennte, war August Wessel, der heute als Funktionär einen schweren Stand haben dürfte. Im 19. Jahrhundert störte sich allerdings niemand daran, dass er sein Geld mit Tabakprodukten verdiente – in und um Osnabrück gehörten rund 30 Zigarrenfabriken zu den wichtigsten Arbeitgebern der Region.
Proteste gegen den ersten Präsidenten, dessen Grab vor kurzem auf dem Johannisfriedhof entdeckt wurde, waren also nicht zu erwarten. Doch die Fußballpioniere hatten trotzdem mit Widerständen unterschiedlichster Art zu kämpfen. Erst 1896 war in den „Jenaer Regeln” beispielsweise festgelegt worden, dass auf Spielfeldern keine Bäume und Sträucher wachsen sollten. Bis zur Gründung des Deutschen Fußball-Bundes und zur Anerkennung als olympische Sportart vergingen weitere Jahre. Aber mit dem Bau halbwegs bespielbarer Sportanlagen und der Lösung organisatorischer Probleme war es nicht getan. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt die Jagd nach dem runden Leder in weiten Kreisen der Bevölkerung als „Proletensport“ und „englische Krankheit“. Noch im April 1912 musste der FC Olympia Osnabrück im Halbfinale der Westdeutschen Fußballmeisterschaft auf mehrere Leistungsträger verzichten, die anonym der „Fußlümmelei“ beschuldigt worden waren.
Trotzdem eroberten sich die 1903 gegründeten Sportkameraden, die im Osnabrücker Fußballdeutsch „Olympen“ genannt wurden, einen Platz in der Fußballgeschichte – als Vorgänger des VfL Osnabrück, in dem noch weitere Vereine ihre Spuren hinterließen. Dazu gehörte der 1902 ins Leben gerufene „FC Teutonia“, der zwischen 1907 und 1909 dreimal Meister des 7. Bezirks wurde und mit den anderen Osnabrücker Klubs bereits gegen die Konkurrenz aus Bielefeld oder Münster spielte. Dem „Osnabrücker Ballspielverein 05“ kommt hingegen das Verdienst zu, in der Gartlage den ersten Fußballplatz angelegt zu haben, der frühzeitig höheren Ansprüchen genügte. Und auch wenn ein Teil der Gesellschaft noch immer naserümpfend auf die „Fußlümmel“ schaute, brachten diese ersten Jahre bereits einen echten Publikumsliebling hervor. Justus Dallmeyer, genannt „Jüttken“, stürmte für den FC Olympia, doch die erste große Katastrophe des 20. Jahrhunderts machte auch seine Träume und Zukunftshoffnungen zunichte. Dallmeyer fiel – wie Millionen anderer junger Menschen – im Ersten Weltkrieg.
Neubeginn 1918
Als am 11. November 1918 die Waffen schwiegen, war nichts mehr wie früher. Auch die Sportvereine hatten zahlreiche Kriegstote zu beklagen, Teutonia und Olympia schlossen sich deshalb 1919 zur Vereinigung „Spiel und Sport“ zusammen. Der FC 1899 und der Ballspielverein 05 folgten ein Jahr später. Aus dem jüngsten und dem ältesten Vorgängerverein bildete sich der „Ballspielverein Osnabrück von 1899“.
Für packende Stadtderbys an der „Langen Wand“ war fortan gesorgt, doch die beiden Neugründungen konnten auch in der überregionalen Gauliga Westfalen einige Ausrufezeichen setzen. Mit einer nochmaligen Konzentration der Osnabrücker Fußballtalente verbanden sich entsprechend große Hoffnungen, und so schlüpfte der BVO unter das Dach von „Spiel und Sport“. Erster Vorsitzender wurde Ernst Sievers, ein leidenschaftlicher Sportpädagoge und überzeugter Demokrat, der sich antisemitischen Tendenzen entschieden widersetzte, die auch in Osnabrück – vor allem im einflussreichen Osnabrücker Turnverein (OTV), dem „Spiel und Sport“ eine Zeitlang angehört hatte – immer mehr um sich griffen. 1925 gab sich der Klub nochmals einen neuen Namen und firmierte fortan als „Verein für Leibesübungen“.
Der VfL war geboren und etablierte sich in der Westfalenliga – neben Preußen Münster, dem VfB oder Arminia Bielefeld, der Hammer SpVgg 03/04 oder Union 08 Herford. Im März 1926 wurde dann das erste VfL-Spiel live im Rundfunk übertragen. Trotz der 1:6-Niederlage gegen Schwarz-Weiß Essen ein Beleg für den rasanten Popularitätszuwachs des jungen Vereins, der den frühen Aufschwung einem ausländischen Übungsleiter zu verdanken hatte. Der Wiener Karl Schrenk leitete die Geschicke des VfL und durfte sich bereits über ein regelmäßiges Gehalt freuen, für das nicht nur der Verein, sondern auch seine Spieler aufkommen mussten. „Zwei Mark pro Mann und Monat halten wir für angemessen“, ließ der VfL seine Aktiven wissen und setzte damit auf ein Finanzierungsmodell, das bekanntlich keine große Zukunft hatte.
Doch die Verantwortlichen bekamen bald schwerwiegendere Probleme zu lösen, etwa die Frage, wie man mit der neuen stadtinternen Konkurrenz umgehen sollte. Im Juni 1925 hatte sich eine Reihe unzufriedener Spieler vom VfL abgewandt und im Schinkel den SC Rapid Osnabrück gegründet. Als beide Klubs 1938 wieder zusammenkamen, übernahm der VfL die Vereinsfarben und lief von nun an in lila-weiß auf. Doch das ist natürlich schon längst wieder eine andere Geschichte …
Text: Thorsten Stegemann
Titelbild: Frühes Bild des Ballspielvereins von 1905 auf dem Platz an der Gartlage
Bild 2: Der Ballspielverein Osnabrück von 1899 in den 1920er Jahren
Bild 3: Teutonen auf Reisen – ein Ausflug der FC Teutonia.