Sommer 1989: Schalkes Shootingstar sitzt auf der Trainerbank! Mit 33 Jahren hat Peter Neururer seinen Herzensverein Schalke 04 übernommen und plant nun Großes mit den Knappen. Auch im DFB-Pokal, in dem die Bremer Brücke im August nur eine Durchgangsstation sein soll. Bereits vor dem Spiel denkt der Gelsenkirchener Übungsleiter laut über den Gegner in Runde 2 nach. Zu voreilig, wie sich herausstellt.
Dabei waren die Gastgeber nicht gut in die Saison gestartet. Von den ersten vier Partien gegen Meppen, Unterhaching, Blau-Weiß Berlin und Freiburg hatte das Team von Rolf Schafstall keine einzige gewinnen können. Schalke erging es nicht viel besser, die Königsblauen zeigten aber immerhin bei Neururers Ex-Verein Alemannia Aachen Flagge und gewannen das Gastspiel am Tivoli mit 4:0.
In Osnabrück dominiert Schalke lange Zeit das Geschehen. Angriff auf Angriff rollt auf das Tor von Wolfgang Kellner, der sich an diesem Nachmittag allerdings in absoluter Paradeform präsentiert und selbst „Hundertprozentige“ aus seinem Kasten fischt. Erst nach über eine Stunde hat er gegen den überragenden Dänen Bjarne Goldbæk, der die Osnabrücker Abwehr gleich mehrfach schwindlig spielt, das Nachsehen. Doch mit der langersehnten Führung im Rücken läuft bei Schalke nicht mehr viel zusammen. Stattdessen tasten sich die Lila-Weißen immer näher an den Ausgleich heran. In der 88. Minute entscheidet Schiedsrichter Edgar Steinborn nach Handspiel von Jarosław Kotas auf Freistoß für den VfL. Ein Fall für den Ex-Schalker Claus-Dieter „Pele“ Wollitz, der den Ball dann auch im gegnerischen Tor versenkt.
Es geht in die Verlängerung, allerdings hat Neururer inzwischen seinen besten Offensivspieler Bjarne Goldbæk vom Feld genommen. Der VfL, frenetisch angefeuert von nur wenig mehr als 10.000 Zuschauern, nutzt seine Chance. In der 10. Minute der Verlängerung trifft Frank Schulz zum 2:1, und zwei Minuten vor dem Abpfiff hat Pele Wollitz die Riesenchance zur endgültigen Entscheidung. Doch der sonst so treffsichere VfLer scheitert an Schalke-Schlussmann Werner Vollack.
Die Bremer Brücke hält den Atem an, denn noch bleibt den Gästen Zeit, sich ins Elfmeterschießen zu retten. Aber mit dem letzten Angriff erlöst Heikko Glöde die Lila-Weißen. Sein Abstauber bringt den VfL endgültig in die 2. Runde. Der Gästetrainer hat derweil noch Gesprächsbedarf. Einige Entscheidungen des Unparteiischen waren nicht nach dem Geschmack Neururers, von dem dann auch noch ein denkwürdiger Satz überliefert ist: „Auf dem Weg nach Berlin wünsche ich dem VfL viel Glück.“
Die Lila-Weißen nehmen die leicht ironische Botschaft überraschend wörtlich und gewinnen in dieser Pokalsaison auch noch in Wattenscheid (2:0) und zuhause gegen Karlsruhe (3:2). Erst im Viertelfinale ist bei Eintracht Braunschweig Endstation (2:3). Ganz anders läuft es in der Liga, wo übrigens beide Teams ihre Heimspiele gegen den Pokalgegner gewinnen – Schalke mit 4:1 und der VfL mit 3:1. Neururers Schützlinge werden Fünfter, während sich der VfL nur aufgrund der besseren Tordifferenz gegenüber Hessen Kassel und Darmstadt 98 vor dem Abstieg rettet.
Text: Thorsten Stegemann
Bild: Trainerbank Schalke 04 in der Saison 89/90, v.li.: Präsident Günther Eichberg, Trainer Peter Neururer, Co-Trainer Klaus Fischer © IMAGO/WEREK