Im Frühjahr 1989 steckt der VfL tief im Tabellenkeller – nach der Niederlage in Saarbrücken hatten viele Pessimisten die Lila-Weißen bereits abgeschrieben. Am 26. Mai gastierte dann Hertha BSC an der Bremer Brücke und als die Berliner nach 47 Minuten mit 2:0 führten, schien der berühmte Drops endgültig gelutscht. Doch plötzlich fiel den Schützlingen von Hans-Werner Moors ein, dass sie nichts mehr zu verlieren hatten. Es folgte eine der spektakulärsten Halbzeiten an der Bremer Brücke.

Hertha BSC war seinerzeit nicht der haushohe Favorit, sondern nach einem der schlimmsten Tiefschläge der Vereinsgeschichte gerade erst aus der Amateuroberliga Berlin zurückgekehrt. Aber die Tore von Helmut Rombach und Christian Niebel weckten an diesem Freitagabend die Hoffnung, als ob die alte Dame an der Bremer Brücke den entscheidenden Schritt Richtung Klassenerhalt gehen könnte. In der 54. Minute brachte Stefan Holze, der eine Flanke des kurz zuvor eingewechselten Klaus Basten ins Berliner Tor schlenzte, die Osnabrücker jedoch wieder in Schlagdistanz. Zehn Minuten später war es Basten selbst, der mit einem Schuss ins lange Eck für den überraschenden Ausgleich sorgte.

Die verdutzten Herthaner schüttelten sich und fingen noch einmal von vorne an. In der 72. Minute düpierte der starke Rombach Abwehrturm Neale Marmon und brachte die Gäste erneut in Führung. Doch nun ließen die Lila-Weißen nicht mehr locker. Nur vier Minuten später segelte eine Flanke von Ralf Heskamp in den Berliner Strafraum, wo sich Stefan Holze ebenfalls zum zweiten Mal in die Torschützenliste eintrug.

Nur 3.500 Zuschauer hatten an diesem Abend den Weg zur Bremer Brücke gefunden, aber sie reichten aus, um den Funken von den Rängen auf den zerwühlten Rasen überspringen zu lassen. Der VfL warf noch einmal alles nach vorn und bekam in der 82. Minute seine insgesamt 13. Ecke zugesprochen. Ein Fall für den herausragenden Holze, dessen Hereingabe über Paul Jaschke zu Bernd Hansen fand, dem das Tor schließlich zugesprochen wurde.

„Vielleicht gibt es so etwas wie einen Fußballgott. Heute Abend war er gerecht“, freute sich Hans-Werner Moors nach dem Abpfiff und die Hilfe von oben blieb den Lila-Weißen auch in den folgenden Wochen erhalten. Dem 4:3-Triumph gegen die Hertha folgte ein 3:1-Erfolg bei Fortuna Köln und ein 6:0-Kantersieg gegen Union Solingen. Das 1:1 am letzten Spieltag gegen Mainz 05 reichte schließlich für den Klassenerhalt. Vor dem Tabellenvierzehnten aus Osnabrück rangierten am 18. Juni 1989 die punktgleichen Teams von Hertha BSC und Schalke 04.


Text: Thorsten Stegemann

Bild: Stefan Holze in der Saison 1988/89 © IMAGO / Rust