Dass Erzgebirge Aue heute so einprägsam klingt, mag auch damit zu tun haben, dass der Vereinsnamen der Sachsen einer wahren Odyssee ausgesetzt war. Was mit dem FC Aue 1908 begann, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in schneller Folge zur SG Aue, BSG Pneumatik Aue, BSG Zentra Wismut Aue bzw. BSG Wismut Aue und dann zum SC Wismut Karl-Marx-Stadt. Ausgerechnet unter diesem Label feierten die Sachsen einige ihrer größten Erfolge.
Den Ruhm des sozialistischen Vaterlandes ins befreundete und verfeindete Ausland zu tragen – diesem Ziel sollten in der DDR auch die Sportvereine dienen. In der Folge wurden Klubs in wichtigen Städten und Regionen zentralisiert, um eine höhere Leistungsdichte zu erzielen. Aue, damals Teil der bevölkerungsreichsten DDR-Bezirks Karl-Marx-Stadt, verlor seine erfolgreiche Betriebssportgemeinschaft 1954 an die Bezirkshauptstadt, die bis 1953 Chemnitz hieß und seit 1990 wieder diesen Namen trägt. Die Fußballer aus dem Erzgebirge trotzten den Funktionären aber immerhin ein Zugeständnis ab: Die Heimspiele des Teams durften weiterhin im Otto-Grotewohl-Stadion ausgetragen werden.
Wo Karl-Marx-Stadt draufstand, war letztendlich Aue drin und von Entscheidungen am grünen Tisch und skurrilen Namenswechseln ließen sich die Kicker aus dem Erzgebirge ohnehin nicht beirren. Schließlich hatten sie mit Heinz Satrapa, Willy Tröger, der im Krieg eine Hand verloren hatte, oder den Brüdern Siegfried und Karl Wolf einige der besten Fußballer des Landes in ihren Reihen.
Der überragende Spielmacher Manfred Kaiser, der bis dahin in Gera aktiv war, kam 1955 noch dazu. Im selben Jahr gewann SC Wismut Karl-Marx-Stadt den FDGB-Pokal, 1956 und 57 holten die Sachsen unter ihrem neuen Trainer Fritz Gödicke die DDR-Meisterschaft ins Erzgebirge.
1959 stieß Aue, nun mit Trainer Gerhard Hofmann, im Europapokal der Landesmeister bis ins Viertelfinale vor und feierte zum dritten und letzten Mal den Gewinn der Meisterschaft. Danach wurde es ruhiger um die Kicker aus dem Erzgebirge, die 1963, als sich der SC Wismut mit dem SC Motor Karl-Marx-Stadt zusammentat, wieder als BSG Wismut Aue auflaufen durften. Bis zur Wiedervereinigung spielten sie in der Oberliga und waren damit der einzige DDR-Verein, der sich zwischen 1951 und 1990 durchgängig in der höchsten Spielklasse halten konnte.
Die meisten Fußballfans dürften heute nur noch den FC Erzgebirge Aue kennen, doch auch die BSG Wismut Aue geht inzwischen wieder auf Torejagd. Am 4. März 2019 wurde der Verein neu gegründet. Er spielt heute mit dem Slogan „Tradition lebt!“ in der 2. Kreisklasse West.
Text: Thorsten Stegemann
Bild: FC Erzgebirge Aue