Aus einem Fußball- und einem Cricketklub entstand vor mehr als 130 Jahren der „Berliner Thorball- und Fußball-Club Viktoria von 1889“. Die Begeisterung war groß, die Konkurrenz überschaubar und so stellten sich schnell die ersten Erfolge ein.
Die Viktoria, die im Deutschen Fußball- und Cricketbund (DFuCB) organisiert war, galt innerhalb der Stadtgrenzen bald als das Maß aller Dinge. Doch wo stand der Verein im Vergleich zur auswärtigen Konkurrenz? 1894 sollte diese Frage beantwortet werden. Der DFuCB plante eine Meisterschaftsrunde, an der auch ein Klub aus Hannover teilnehmen sollte. Der dortige DFV 1878 war allerdings nur im Rugby Football aktiv. Ersatzweise wurde der 1. FC Hanau 1893 nominiert, aber die Hessen sagten – mutmaßlich aus finanziellen Gründen – ebenfalls ab. Viktoria Berlin wurde somit erster gesamtdeutscher Meister, wenn auch nur am grünen Tisch.
Der im Jahr 1900 gegründete Deutsche Fußball-Bund wäre für diesen Titel also gar nicht zuständig gewesen, erkannte ihn aber im Nachhinein an. Doch so leicht wollten sich die Berliner die Sache nun auch nicht machen. Im Sommer 2007 traf sich die Viktoria mit Hanau zu einer Neuauflage. Die Hauptstädter gewannen mit 3:1 (Rückspiel: 1:1) und sicherten sich die erste Deutsche Meisterschaft jetzt auch sportlich – mit rund 113 Jahren Verspätung.
Es war ohnehin nicht der einzige Titel, denn in den ersten anderthalb Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stellte der Verein eine der besten Mannschaften in ganz Deutschland. Fünfmal wurde die Viktoria Berliner Meister und dreimal Berliner Pokalsieger. Außerdem qualifizierte sie sich mehrfach für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Im Mai und Juni 1908 gelang dem Verein der erste große Coup. Nach Kantersiegen gegen den VfB Königsberg (7:0) und den FC Wacker Leipzig (4:0) bezwangen die Berliner im Finale die Stuttgarter Kickers auf dem Platz ihres Dauerrivalen Germania Berlin mit 3:1.
Drei Jahre später profitierte Viktoria zunächst vom Verzicht des SC Lituania Tilsit, ehe der KV Holstein Kiel mit 4:0 in die Schranken gewiesen wurde. Finalgegner war diesmal der große VfB Leipzig, doch Viktoria ging erneut als Sieger vom Platz. Willi Worpitzky, der beim ersten Titelgewinn bereits doppelt getroffen hatte, steuerte erneut zwei Tore zum 3:1-Erfolg bei.
Gut vier Jahrzehnte später, 1955 und 56, qualifizierte sich Viktoria Berlin als Meister der West-Berliner Vertragsliga noch zweimal für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. In beiden Fällen kam der Titelträger früherer Jahre aber nicht über die Vorrunde hinaus.
Text: Thorsten Stegemann
Bild: The football team of “BFC Viktoria”, Berlin, circa 1910-1913, Bain News Service, New York