Er trat in die Fußstapfen von VfL-Legende Addi Vetter und sorgte mit über 90 Treffern dafür, dass die Lila-Weißen auch in den oft schwierigen 50er Jahren in der höchsten deutschen Spielklasse blieben. Theo Schönhöft avancierte zum Publikumsliebling an der Bremer Brücke, Sepp Herberger machte ihn zum Nationalspieler, doch dann wurde er Opfer eines tragischen Verkehrsunfalls. Heute wäre Theo Schönhöft 90 Jahre alt geworden.
1. Dezember 1958: Der VfL hat sein Punktspiel bei Phönix Lübeck mit 4:0 gewonnen und ist wohlbehalten nach Osnabrück zurückgekehrt. Theo Schönhöft wird an diesem Morgen von den Prüfern der Westfälischen Wilhelms-Universität erwartet. Er steht unmittelbar vor dem Abschluss seines Lehramtsstudiums und macht sich frühzeitig auf den Weg nach Münster.
Die folgenschwerste Fahrt seines Lebens endet auf der B51 zwischen Bad Iburg und Glandorf. Die Straße ist vereist, Schönhöft verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug und erleidet einen Schädelbasisbruch. Tagelang kämpft der Ausnahmesportler mit dem Tod, und dann scheint tatsächlich ein Wunder zu geschehen. Schönhöft erholt sich nicht nur von den schweren Verletzungen, nach knapp neun Monaten steht er auch wieder auf dem grünen Rasen. Doch 18 Jahre später, am 26. Juli 1976, stirbt Theo Schönhöft an den Spätfolgen des tragischen Unfalls. Er wird nur 43 Jahre alt.
Der Lückenschließer
Das Fußballspielen lernte Theo Schönhöft, der auch Junioren-Niedersachsenmeister im Tischtennis war und die 100 Meter in 11,2 Sekunden lief, im Oldenburger Münsterland. Bei Falke Steinfeld erkannten die Verantwortlichen beizeiten, welch ein Rohdiamant in ihren Reihen spielte. Schon im Alter von 16 Jahren wurde er in den A-Kader befördert und bedankte sich mit 95 Treffern in 100 Spielen. Schönhöfts Tore ebneten den Falken den Weg in die Amateuroberliga, während der schussstarke, schnelle und wendige Linksaußen ins Visier der Oberliga Nord geriet.
Sein Förderer Hans Pilz wollte Schönhöft zum VfB Oldenburg lotsen, doch der Stürmer entschied sich für den VfL Osnabrück, der 1952 die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft erreicht hatte. Es war der vorerst letzte große Erfolg der Lila-Weißen, in deren Reihen viele zentrale Spielerpersönlichkeiten fehlten, die ihre Karriere beendeten (Addi Vetter), den Verein wechselten (Ernst-Otto „Ötti“ Meyer) oder nicht mehr an die Form der frühen 50er anknüpfen konnten.
Für den VfL, der 1953/54 erstmals in schwere Abstiegsnöte geriet, wäre die Lage brenzlig geworden, wenn Theo Schönhöft nicht mehrere dieser Lücken auf einmal geschlossen hätte. In den Spielzeiten 1953/54 (15), 1954/55 (18), 1955/56 (19) und 1957/58 (15) war er der beste Torjäger der Lila-Weißen, ein stets belebendes Element im gesamten Offensivspiel und der Liebling des Osnabrücker Publikums, das den Großteil seiner Hoffnungen auf den brandgefährlichen „Theoooo!“ setzte.
Sogar die Bayern wollen Schönhöft
Der Mittelstürmer stand bei vielen Vereinen ganz oben auf der Wunschliste. Das VfL-Museum verwahrt ein Schreiben vom 25. April 1958, mit dem Schönhöft Richtung Duisburg gelotst werden sollte. Für den Fall, dass seine Versetzung als Lehrer nach Nordrhein-Westfalen möglich sei, habe man auch schon eine Beschäftigung für Schönhöfts Bruder gefunden, heißt es dort.
Derweil dachte Bayern Münchens Trainer Willibald Hahn öffentlich darüber nach, den Torgaranten an die Isar zu holen. Doch Hahn grübelte wie alle anderen vergeblich. Der umworbene Stürmer blieb in Osnabrück.
Die Statistiker konnten sich bis heute nicht endgültig einigen, ob der Flügelflitzer in seinen gut 200 Punktspielen für den VfL 93 oder 95 Mal ins Schwarze traf. Nicht auszuschließen, dass Schönhöft auch für sie einfach zu schnell war …
DAS Länderspiel
Selbst Bundestrainer Sepp Herberger, der sich nur selten für Spieler aus der Oberliga Nord erwärmen konnte und nie den Weg zur Bremer Brücke fand, kam nicht umhin, sich intensiver mit Schönhöft zu beschäftigen. „Der Chef“ hatte Alternativen auf der linken Angriffseite, etwa Heinz Vollmar, der für St. Ingbert und den 1. Saarbrücken stürmte und 1987 – mit 51 Jahren – ähnlich früh verstarb wie sein zeitweiliger Konkurrent.
Noch bessere Karten hatte einer der „Helden von Bern“. Hans Schäfer, der in der Oberliga West über 350 Spiele für den 1. FC Köln bestritt und dabei mehr als 200 Tore erzielte. Der „Fußballer des Jahres 1963“ war Herbergers erklärter Favorit auf der linken Außenbahn. „Von allen Linksaußen unter unseren Nationalspielern war Hans Schäfer der zielstrebigste“, behauptete der legendäre Coach.
Theo Schönhöft bekam trotzdem seine Chance. Er durfte mit der B-Nationalmannschaft gegen eine Berlin-Auswahl antreten, beim Spiel gegen Spaniens B-Elf auf der Bank sitzen und am 13. Juni 1956 sein erstes und einziges Länderspiel absolvieren. 35.000 Besucher sahen in Oslo eine stark aufspielende deutsche Mannschaft, die sich offenkundig für die Niederlagen gegen die Erzrivalen Holland und England im März und Mai dieses Jahres revanchieren wollte.
Der Neuling aus Osnabrück feierte den berühmten Einstand nach Maß. In der 28. Minute egalisierte er mit einem gewohnt satten Schuss die frühe Führung der Gastgeber, zehn Minuten nach der Pause bediente er Ulrich Biesinger, der in Augsburg bald mit Helmut Haller auf Torejagd gehen würde und in Oslo für das 3:1 sorgte. Den zweiten deutschen Treffer erzielte der Frankfurter Erich Bäumler, der ebenfalls zum ersten und letzten Mal in der Nationalmannschaft spielte.
Theo Schönhöft gab sich offiziell mit dem Erreichten zufrieden. „Mir ist mehr geglückt, als ich erhofft hatte“, gab der bescheidene Stürmer nach seinem Auftritt im DFB-Dress zu Protokoll.
Die letzten Jahre
Nachdem die unmittelbare Lebensgefahr gebannt war, erholte sich Theo Schönhöft überraschend schnell. Am 1. Spieltag der Saison 1959/60 stand er wieder in der Anfangsformation der Lila-Weißen. Es folgten 35 weitere Einsätze, ehe er seine aktive Laufbahn beendete.
Schönhöft schloss auch sein Studium ab, wurde Realschullehrer und später Spielertrainer bei seinem Jugendverein SV Falke Steinfeld. „Er war sicher die bedeutendste Persönlichkeit in der Vereinsgeschichte“, meinte Werner Arkenberg, Falke-Präsident von 2003-17, der von Schönhöft noch als A-Jugendlicher trainiert wurde. Auch in der Geschichte des VfL hinterließ Theo Schönhöft tiefe Spuren – er gehört bis heute zu den größten VfL-Legenden.
Text: Thorsten Stegemann
Bilder: VfL-Museum