Wenn Rot-Weiß Essen und der VfL Osnabrück aufeinandertrafen, war die Spannung oft mit Händen zu greifen. In neun von insgesamt 39 Pflichtspielen fielen mindestens fünf Tore, auf dem Platz und auf den Rängen lagen manches Mal die Nerven blank. Das vorletzte Duell der beiden Traditionsvereine fiel trotzdem aus dem Rahmen. Am 1. Oktober 2005 standen nach 90 Minuten elf Essener auf dem grünen Rasen. Aber nur noch sieben Osnabrücker.
Eine Woche vor dem denkwürdigen Duell hatten die Schützlinge von Uwe Neuhaus nicht nur das Auswärtsspiel bei Holstein Kiel, sondern auch den zweiten Tabellenplatz in der Regionalliga Nord verloren. Dem Team von Pele Wollitz war dagegen ein 2:1-Sieg gegen Wattenscheid gelungen, nach durchwachsenem Saisonstart betrug der Rückstand auf die nun viertplatzierten Essener nur noch vier Punkte.
Entsprechend motiviert starteten die Lila-Weißen in die Partie. Es dauerte gerade einmal fünf Minuten, bis Björn Joppe aus 18 Metern abzog und RWE-Keeper Dirk Langerbein ins Leere griff. Das frühe 1:0 war der Auftakt zu einer ganzen Reihe hochkarätiger VfL-Chancen, doch weder dem agilen Addy Menga noch Sturmkollege Tommy Reichenberger gelang ein weiterer Treffer für die Lila-Weißen. Die Gastgeber hatten ebenfalls einige gute Möglichkeiten, agierten vor dem Tor von Tino Berbig allerdings oft zu überhastet, sodass der VfL mit einer knappen, aber verdienten Führung in die Kabine ging.
Nach dem Seitenwechsel sprach weiter einiges für einen Auswärtssieg der Osnabrücker, die sich auch durch die gelb-rote Karte, die Wolfgang Schütte in der 52. Minute nach wiederholtem Foulspiel sah, nicht aus dem Konzept bringen ließen. Doch der nächste Platzverweis folgte nur fünf Minuten später. Nach hartem Einsteigen gegen Ferhat Kiskanç zeigte Schiedsrichter Thomas Metzen VfL-Kapitän Markus Feldhoff glatt rot.
RWE warf nun alles nach vorne, Angriff auf Angriff rollte Richtung Osnabrücker Strafraum. Doch die Lila-Weißen hielten mit allen, die sie noch hatten, dagegen und verteidigten das 1:0 bis zur 77. Minute. Dann sah auch Björn Joppe nach einem vergleichsweise harmlosen Schubser den gelb-roten Karton. Die Kräfte der verbliebenen Lila-Weißen schwanden nun im Minutentakt, im Duell elf gegen acht gewann Essen zusehends die Oberhand. Alexander Löbe sorgte dann – aus kurzer Distanz und per Kopf – innerhalb von fünf Minuten (81./86.) für Ausgleich und Siegtreffer, doch die frustrierten Osnabrücker mussten nicht nur eine bittere Niederlage hinnehmen. In der 88. Minute schickte der Unparteiische auch noch Joe Enochs in die Kabine. Als die Partie kurze Zeit später abgepfiffen wurde, standen noch sieben Osnabrücker auf dem Rasen des Georg-Melches-Stadion.
„Was ich heute erlebt habe, habe ich in 20 Jahren nicht erlebt“, so der erboste VfL-Trainer Pele Wollitz und tatsächlich wurde über wenige Spiele dieser Jahre so lange und kontrovers diskutiert wie über die Kartenflut an der Hafenstraße. Der Protest des VfL brachte allerdings nichts ein und auf den Saisonverlauf hatte die Aufsehen erregende Partie nur marginalen Einfluss.
Rot-Weiß Essen stieg am Ende mit deutlichem Vorsprung in Begleitung von Carl Zeiss Jena in die 2. Bundesliga auf. Der VfL belegte nur Platz 10 und rangierte am Ende 27 Punkte hinter RWE. Doch nur ein Jahr später tauschten die Traditionsvereine die Plätze. Diesmal feierten die Lila-Weißen den Aufstieg in die 2. Liga, für Essen ging es nach nur einem Jahr zurück in die Regionalliga.
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Text: Thorsten Stegemann
Bild: YouTube / Montage: VfL Osnabrück