1991/92 ging es für viele Zweitliga-Vereine nur darum, die Saison irgendwie zu überstehen. Die Aufteilung der Nord- und Südstaffel in eine Vorrunde und eine Auf- bzw. Abstiegsrunde sorgte aufgrund der frühen Entscheidungen für zahlreiche spannungsarme Spiele – und die Gefahr, den Sprung ins eingleisige, nunmehr gesamtdeutsche Unterhaus zu verpassen, war trotzdem beträchtlich. Auch der ein Jahr zuvor aufgestiegene und auf Platz 12 eingelaufene VfB Oldenburg peilte den Klassenerhalt an. Doch am Ende ging es um sehr viel mehr.

Spielertrainer Wolfgang Sidka hatte eine kampfstarke, eminent torgefährliche Mannschaft versammelt, die gleich am ersten Spieltag in Osnabrück ein Ausrufezeichen setzte. 70 Minuten lang sah es im Niedersachsenderby nach einem torlosen Remis aus, dann brachte Fred Klaus die Lila-Weißen mit einem Doppelschlag auf die Siegerstraße. Doch die Osnabrücker hatten die Rechnung ohne Radek Drulák gemacht. Der ehemalige tschechoslowakische und spätere tschechische Nationalstürmer markierte zehn Minuten vor dem Abpfiff den Anschlusstreffer, ehe sein Teamkollege Michail Anatoljewitsch Rusjajew auch noch zum Ausgleich traf.

Der Auftakt war im Nachhinein symptomatisch für den weiteren Saisonverlauf. Die Osnabrücker agierten ohne Fortune, nicht selten auch unkonzentriert, flogen in Hasborn aus dem DFB-Pokal, verpassten die Aufstiegsrunde und konnten im Kreis der potenziellen Absteiger nur zwei von zehn Spielen gewinnen. Oldenburg blieb stabil und überzeugte vor allem im eigenen Stadion, wo Sidkas Schützlinge Hannover 96, Eintracht Braunschweig, Bayer 05 Uerdingen, Hertha BSC und Fortuna Köln schlugen. Der VfL ging im Rückspiel am Marschweg regelrecht unter und erlebte beim 1:6 ein Debakel, über das noch lange diskutiert wurde.

Die Qualifikation für die Aufstiegsrunde war nun keine große Überraschung mehr, doch hier legten die Oldenburger noch die berühmte Schippe drauf. Von zehn Spielen konnte Sidkas Team sechs für sich entscheiden, verlor nur am Millerntor und hatte vor dem letzten Spieltag weiterhin die große Chance, in die Bundesliga aufzusteigen. Aber der 2:0-Sieg in Meppen reichte am Ende nicht. Mit dem 0:0 beim FC St. Pauli rettete Uerdingen einen Punkt Vorsprung über die Ziellinie.

Die Enttäuschung saß tief, doch die Oldenburger waren auch stolz auf die wohl erfolgreichste Spielzeit der Vereinsgeschichte. Radek Drulák hatte ebenfalls Grund zur Freude – er wurde mit 21 Treffern Torschützenkönig der 2. Bundesliga Nord.

Nur ein Jahr später war das alles schon wieder Geschichte. In der Mammutsaison 1992/93 stieg Oldenburg nach 46 Spieltagen in die Oberliga ab und wurde später bis in die fünftklassige Niedersachsenliga durchgereicht. Auch der VfL verpasste den Klassenerhalt und verbrachte die nächsten sieben Jahre in der dritthöchsten Spielklasse.


Text: Thorsten Stegemann
Bild: IMAGO / Ferdi Hartung (Radek Drulag im März 1993)