Der 26. Februar 1939 war so etwas wie die sportliche Geburtsstunde des VfL Osnabrück: Mit dem 3:0-Erfolg gegen den Deutschen Meister Hannover 96 gelang der legendären „Gartlager Elf“ der Sprung auf die große Fußballbühne. Der nachfolgende Titelgewinn in der Gauliga Niedersachsen bedeutete die erste Qualifikation für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft, wo die Lila-Weißen u.a. auf den Hamburger SV trafen. Gut drei Monate später begann der Zweite Weltkrieg.
Dass die Nationalsozialisten seit geraumer Zeit damit beschäftigt waren, die Menschheit in eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes zu stürzen, konnte aufmerksamen Beobachtern kaum verborgen bleiben. Neben der Verfolgung und Ermordung politischer und ideologischer Gegner war die Aufrüstung massiv vorangetrieben worden. Im März 1938 hatte der „Anschluss“ Österreichs, wenige Monate später die Annexion des Sudentenlandes und im März 1939 die Besetzung der „Rest-Tschechei“ stattgefunden.
Das Teilnehmerfeld der zur „ersten großdeutschen Meisterschaft“ ausgerufenen Endrunde spiegelte bereits Veränderungen auf der europäischen Landkarte wider. Zu den 18 Vereinen, die von April bis Juni 1939 um den Titel spielten, gehörte neben SK Admira Wien, dem Meister der sogenannten „Gauliga Ostmark“, auch der Warnsdorfer FK als Meister der neugeschaffenen Gauliga Sudetenland. Der VfL bekam es in seiner Gruppe mit dem Hamburger SV, Blau-Weiß 90 Berlin und dem SV Hindenburg Allenstein zu tun, der aus der heute polnischen Großstadt Allenstein (Olsztyn) kam und die Gauliga Ostpreußen vertrat.
Der legendäre Sportplatz in der Gartlage, dem die Elf von Walter Hollstein ihren Namen verdankte, war bereits von der Rüstungsindustrie verplant worden, was am Ende dazu führte, dass die Lila-Weißen überhaupt nur ein Heimspiel in Osnabrück austragen durften. Die Partie gegen den HSV sorgte immerhin noch einmal für Begeisterungsstürme, denn vor eigenem Publikum gelang dem VfL die Revanche für die ernüchternde 1:5-Niederlage am Hamburger Rothenbaum. 4:2 bezwangen die Osnabrücker den HSV im letzten Gruppenspiel, es war nach dem 3:1 in Berlin der zweite Erfolg für die Lila-Weißen, die ansonsten zwei Unentschieden und zwei Niederlagen verbuchten.
Nach sechs Partien belegten die VfLer einen durchaus ehrenwerten zweiten Platz, während der HSV als Gruppensieger ins Halbfinale einzog, hier aber Admira Wien mit 1:4 unterlag. Die jubelnden Österreicher ahnten natürlich nicht, dass dem Triumph über die Norddeutschen einer der schlimmsten Tage der Vereinsgeschichte folgen sollte. Am 18. Juni 1939 verloren sie das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft gegen Schalke 04 mit sage und schreibe 0:9.
Wenige Woche später, am 1. September 1939, begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Im kommenden Jahr qualifizierte sich der VfL noch einmal für die Endrunde, wurde hinter dem späteren Vizemeister Dresdner SC und dem Eimsbütteler TV aber nur Gruppendritter. Doch der Sport spielte zu diesem Zeitpunkt nur noch eine Nebenrolle, nach und nach kam der Spielbetrieb überall zum Erliegen. Etwa 60 Millionen Menschen fielen dem Rassenwahn und den Welteroberungsplänen der Nationalsozialisten zum Opfer. Mit Ludwig Westerhaus (gest. 1941) und Willi Zuback (1917-42) kehrten auch Mitglieder der „Gartlager Elf“ nicht mehr aus dem Krieg zurück.
Bild: Der 3:0-Erfolg gegen den Deutschen Meister Hannover 96 machte die „Gartlager Elf“ bekannt und populär. Im Rahmen dieses Spiels entstand ein Bilderalbum, von dem nur 11 Exemplare gefertigt wurden. Ein Original befindet sich im VfL-Museum, dem wir auch diese Optik verdanken.
Text: Thorsten Stegemann
Foto: VfL Museum