Am Mittwochmorgen herrschte großer Andrang in der Aula des Osnabrücker Graf-Stauffenberg Gymnasiums (GSG). Zur Podiumsdiskussion „Die Würde des Menschen ist unantastbar – auch im Stadion?“ waren mit VfL-Rechtsverteidiger Omar Traoré, Aufstiegstrainer Daniel Thioune und Lisa Roggenkamp drei Lila-Weiße eingeladen, die aus erster Hand über Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen im Fußball berichteten.
Nach einer kurzen Einleitung durch Philipp Christ, dem stellv. Vorsitzenden der SPD Osnabrück, wie Traoré und Thioune ebenfalls Ex-Schüler am GSG, startete die Gesprächsrunde ohne große Umschweife. Neben Traoré und Thioune, der für das GSG zudem Schirmherr der Aktion „Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage“ ist, war auch VfL-Aufsichtsrätin Lisa Roggenkamp, die aus Fansicht berichtete, als Gast geladen.
Zwischen allen dreien herrschte Einigkeit, dass sich vieles im Fußball in den vergangenen Jahren gebessert hat, Diskriminierungen und Rassismus trotzdem noch nicht aus den Kurven verschwunden ist. Dazu konnte jeder persönliche Erinnerungen anführen: Traoré berichtete von seinem ersten Herrenspiel als er mit dem SV Rödinghausen gegen den Wuppertaler SV spielte und sich einige rassistische Äußerungen anhören musste. Thioune berichtete aus Kindheitstagen, als die Äußerungen zwischen ‚Die schwarze Perle macht das stark‘ bis zu ‚Den Neger müsst ihr ordentlich decken‘ reichten, und von Profispielen in den 90er Jahren, als rassistische Äußerungen im Stadion noch viel verbreiteter waren als heute. „Als in Chemnitz bei einem Relegationsspiel 1999 fast das ganze Stadion ‚Haut den Neger um‘ skandierte, oder ein Ordner, der mich und meine Mannschaft doch eigentlich schützen sollte, auf seinem Pulli über dem Swoosh-Zeichen statt ‚Nike‘ nur ‚Nazi‘ geschrieben hatte, war ich mental am Ende. Mein Selbstwertgefühl war in dem Moment zerstört. So etwas macht einfach etwas mit einem!“ Roggenkamp ergänzte, dass sie als Frau im Stadion häufig Sexismus erlebt habe – ebenfalls ein Thema, das auch heute leider noch nicht gänzlich aus dem Stadion verschwunden ist. Sie sei doch nur wegen der Spieler hier, was sie denn als Mädchen in der Kurve wolle und anderes. „Ständig musste ich mich rechtfertigen, dabei war ich doch nur wegen einer Sache hier: Ich wollte ein spannendes Spiel sehen und im Block laut sein!“
Sport ist immer nur ein Spiegelbild und Querschnitt der Gesellschaft und ihrer Schwingungen, hier waren sich alle Diskutanten einig. Ebenso darüber, wie sich die Mannschaft des VfL Osnabrück beim Auswärtsspiel in Duisburg vor rund einem Jahr verhalten hat. Nach einer Beleidigung aus dem Heimbereich der Meidericher bei der Ausführung einer Ecke war Ex-Osnabrücker Aaron Opoku so getroffen, dass die Osnabrücker sich gemeinsam entschieden, den Platz an diesem Abend nicht mehr zu betreten. „In diesem Moment war ich wahnsinnig stolz auf meinen Verein“, so Omar Traoré. „Wir standen geschlossen hinter Aaron, der neben mir in der Kabine absolut aufgelöst und nicht in der Lage war, weiterzuspielen. In der Vergangenheit gab es bei ähnlichen Vorfällen viele Apelle, aber die Spiele wurden fortgeführt. Wir haben aber ein sichtbares Zeichen gesetzt, dass man seine Stimme erheben muss. Dafür zolle ich meiner Mannschaft und allen Verantwortlichen beim VfL weiter großen Respekt!“
An die anwesenden Schüler richteten die drei einen Appell: „Achtet darauf, was und wie ihr Dinge sagt. Zeigt Zivilcourage, wenn ihr mitbekommt, dass jemand beleidigt wird! Und auch wenn es sich manchmal so anfühlt – ihr seid nicht allein! Erhebt eure Stimme, wenn etwas passiert!“
Nach einer abschließenden offenen Fragerunde, bei der Schüler und Lehrkräfte ihre Gedanken an die drei Gäste stellen konnten und die auch die aktuelle Fußballweltmeisterschaft in Katar streifte, fassten Traoré, Thioune und Roggenkamp ihre Gedanken zum Fußball und seiner Wirkung auf Menschen nochmal zusammen: Fußball sei nicht alles, aber er verbinde Menschen und Kulturen und mobilisiere Menschen, gute Dinge zu tun – wie die Ukraine-Hilfen im Frühjahr – und dem manchmal tristen Alltag gemeinsam für ein paar Stunden zu entfliehen. Und dieser Rolle müsse er manchmal noch mehr gerecht werden – ohne sich dabei selbst zu überhöhen!
Ein großes Dankeschön geht an das Graf-Stauffenberg-Gymnasium für einen nachdenklichen und nachhaltigen Termin, der die anwesenden Schülerinnen und Schüler sichtbar in seinen Bann gezogen hat.