Der Schwerpunkt der diesjährigen Projektwoche „!Nie-Wieder“ liegt auf Menschen mit Beeinträchtigung, deshalb sprechen wir mit Alexander Fangmann. Alex ist seit seinem achten Lebensjahr blind. Er ist seit nunmehr 16 Jahren aktiver Blindenfußballer. Den Kontakt stellte sein alter Klassenkamerad Werner Nordlohne her, Fanbeauftragter des VfL Osnabrück und ehemaliger Guide der deutschen Blindenfußballnationalmannschaft.
Hallo Alex, zunächst einmal: Was ist Blindenfußball überhaupt und wie bist du dazu gekommen? Gibt es auch internationale Wettkämpfe und einen Ligaspielbetrieb?
Blindenfußball ist eine paralympische Sportart für blinde Fußballerinnen und Fußballer. Die Ursprünge hat der Blindenfußball im Futsal, sodass nahezu alle Regeln identisch sind. Bei uns spielen jedoch vier blinde Feldspielerinnen und Fußballer gemeinsam mit einem/einer sehenden Torhüter/in im Team. Dazu kommt noch ein sogenannter Guide hinter dem gegnerischen Tor – die Rolle, die Werner einige Jahre für die Nationalmannschaft eingenommen hatte.
Und natürlich ist auch unser Ball anders als ein herkömmliches Spielgerät. Er hat eingebaute Rasselelemente, damit wir ihn hören können. An den Längsseiten unseres 20 x 40 Meter großen Spielfelds befinden sich außerdem noch Banden. Diese verhindern, dass der Ball ständig ins Aus geht und dienen zusätzlich zur Orientierung.
Ich selbst bin seit der ersten Sekunde des Blindenfußballs in Deutschland dabei. Im Rahmen der WM 2006 gab es einen ersten Schnupper-Workshop, an dem ich teilgenommen habe. Im Anschluss entstanden bundesweit Mannschaften und seit 2008 gibt es die Deutsche Blindenfußball-Bundesliga. Mit sieben gewonnenen Meisterschaften ist mein Team, der MTV Stuttgart, übrigens der Rekordmeister der Liga.
International finden im Zweijahresrhythmus Europameisterschaften sowie alle vier Jahre Weltmeisterschaften statt. Das größte Highlight ist sicherlich das paralympische Blindenfußball-Turnier. Dorthin haben wir es als Deutschland aber bislang noch nicht geschafft. Bisher habe ich sieben Europameisterschaften und eine WM gespielt.
Blickt man auf Corona im Sport, ist meist nur die Rede von der Fußball Bundesliga. Wie wirkte sich die Pandemie auf den Blindenfußball aus und habt ihr seit Beginn der Pandemie schon wieder Spiele ausgetragen?
Unsere Saison steigt in der Regel von Mai bis September. Als es 2020 zum ersten Lockdown kam, waren wir also mitten in der Vorbereitung. Die Saison wurde dann in den Herbst verschoben und konnte glücklicherweise zu Ende gespielt werden. Anders sah es international aus. Die für 2021 geplante EM sowie die WM 2022 wurden um ein Jahr verschoben. Im November 2021 haben wir nach mehr als zwei Jahren mal wieder Länderspiele absolviert. Im Juni 2022 ist die nächste Europameisterschaft im italienischen Pescara geplant. Hierüber qualifiziert man sich auch für die nächstjährige WM.
Wie kommt man als blinder Mensch durch den Alltag und gibt es Fähigkeiten, die man sich im Blindenfußball aneignet, die für den Alltag von Nutzen sind?
Ich persönlich nutze einen Blindenlangstock, um von A nach B zu kommen. Bekannt sind ja auch Blindenführhunde. Beim Fußball trainiert man natürlich sehr seine Reaktionsschnelligkeit und allgemein sein Körpergefühl. Das hilft selbstverständlich auch im Alltag. Das Filtern der vielen akustischen Informationen auf dem Fußballplatz (Zurufe der Mitspieler, Ballgeräusch, Trainer etc.) fordert und fördert die Konzentration.
Gibt es für dich als Leverkusenfan die Möglichkeit ins Stadion zu gehen und die Spiele der Fußballbundesliga zu verfolgen? Der VfL Osnabrück beispielsweise, bietet in Zusammenarbeit mit dem Fanclub für Menschen mit Handicap „lila-weiße-Rollifanten e.V.“ ein Blindenradio für Sehbehinderte an. Gibt es sowas bei euch auch und wie ist für dich so ein Stadionerlebnis?
In Leverkusen gibt es das sogar schon seit 1999. Aber da ich nach dem Abitur zum Studium nach Tübingen gegangen bin und seit 2012 in Stuttgart lebe, war ich schon einige Jahre nicht mehr in der BayArena. Ich nutze die Spielbeschreibung des VfB bei Auswärtsspielen der Werkself. Ein Stadiongang hat auch für mich immer eine ganz besondere Atmosphäre. Man braucht nicht unbedingt das Spiel zu sehen, um die Qualität einordnen oder die Begeisterung der Fans nachvollziehen zu können.
Abschließend noch eine letzte Frage: Was muss sich aus deiner Sicht ändern, damit das Leben für blinde Menschen leichter wird und was wünschst du dir in Bezug darauf für die Zukunft?
Als blinder Mensch ist man im Alltag leider noch immer an vielen Stellen auf fremde Hilfe angewiesen. Das Bewusstsein für die Bedürfnisse von behinderten oder sonst wie eingeschränkten Menschen muss sich weiter verbessern. Natürlich müssen auch die viel zitierten Barrieren – seien es die physischen oder die in den Köpfen – abgebaut werden. Dafür müssen Menschen aber immer in den Austausch treten, um voneinander zu lernen und gemeinsam an einer für alle zugänglicheren Zukunft zu arbeiten.
Interview: Bündnis „Tradition lebt von Erinnerung“
Foto: Alexander Fangmann (links) im Zweikampf (Quelle: BLINDENFUSSBALL-Bundesliga)