Im Halbfinale des Niedersachsenpokals geht es für den VfL Osnabrück am Mittwochabend zum BSV Kickers Emden (Anpfiff: 19:00 Uhr). Im Ostfriesland-Stadion trifft man dabei auf eine Mannschaft, die nach dem Aufstieg in die Regionalliga auch in der neuen Spielklasse bereits für Furore sorgen konnte. Der Vorbericht.
Der Gegner
Der Ballspielverein Kickers Emden wurde 1946 gegründet und etablierte sich in den folgenden Jahrzehnten als einer der führenden Fußballvereine in Ostfriesland. In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren erreichte der Verein durch kontinuierliche Erfolge den Aufstieg in höhere Amateur- und Halbprofispielklassen, bis er 2008 die damals neu gegründete eingleisige 3.Liga erreichte und dort mit ambitionierten Auftritten auf sich aufmerksam machte. Finanzielle Schwierigkeiten führten jedoch nur ein Jahr später, 2009, zum Rückzug aus der 3.Liga und zur freiwilligen Rückstufung in die Oberliga. Nach vielen sportlich durchwachsenen Jahren stieg man in der Saison 2021/22 nach 14 Jahren zurück in die Regionalliga Nord auf. In der darauffolgenden Saison musste man mit nur 15 Punkten jedoch direkt wieder den Weg in die Oberliga antreten. Der direkte Wiederaufstieg gelang auch dank der finanziellen und strategischen Hilfe des Einstiegs von Henning Rießelmann und dessen Sportberatungs-Agentur im Sommer 2023. Rießelmann und dessen Unternehmen sorgten mit Investitionen in Infrastruktur und Kader, sowie der Akquise von Sponsoren für deutlich bessere Bedingungen als beim Aufstieg in die Regionalliga 2022. Nicht nur außerhalb des Platzes ist die Entwicklung der Emder also positiv, auch auf dem Platz startete man sehr vielversprechend in die Regionalligasaison und steht mit 29 Punkten aktuell auf dem vierten Tabellenplatz.
Im aktuellen Kader von Kickers Emden ist mit Tobias Steffen ein ehemaliger Spieler des VfL Osnabrück zu finden. Steffen verbrachte die Saison 2008/09 in der U17 und U19 des VfL und erzielte dort in 27 Spielen beeindruckende 19 Tore. Nach seiner Zeit beim VfL wechselte der gebürtige Leeraner zu Bayer Leverkusen. Dort spielte er zwar vorwiegend in der zweiten Mannschaft, konnte aber auch zwei Einsätze in der Europa League verbuchen. Einen Bundesligaeinsatz und den Sprung in die erste Mannschaft schaffte Steffen jedoch nicht. Über Stationen in Essen, Rödinghausen, Oldenburg und Delmenhorst fand der mittlerweile 32-Jährige im Sommer 2023 den Weg nach Emden, wo er in der aktuellen Regionalliga-Nord-Saison in 13 Partien bereits fünf Tore erzielte und gemeinsam mit Mika Eickhoff (5 Tore) zu den besten Torschützen gehört. Kapitän der Emder ist Tido Steffens. Der 30-Jährige, der mit 256 Einsätzen, die zweitmeisten in der Vereinsgeschichte absolviert hat und mit 137 Treffern als Rekordtorschütze des BSV gilt, spielte in seiner Karriere bisher einzig und allein für Kickers Emden. Ergänzt wird das Team der Ostfriesen von David Schiller. Der 25-Jährige ist mit sieben Assist der Topvorlagengeber der Mannschaft. Chefcoach von den Kickers ist Stefan Emmerling. Der 58-Jährige war bereits zwischen 2007 und 2009 beim BSV und kehrte 2019 nach Stationen in Ahlen, Erfurt, Paderborn und der Zweitvertretung vom 1. FC Köln wieder an die Seitenlinie im Ostfriesland-Stadion zurück.
Die Ausgangslage
Emden zeichnet sich durch eine besonders starke Defensive aus und hat in der laufenden Saison der Regionalliga Nord mit nur 18 Gegentoren in 16 Partien die drittbeste Abwehrreihe der Liga. In der bisherigen Saison konnten die Ostfriesen neun Siege feiern und mussten fünf Niederlagen sowie zwei Remis hinnehmen. Am vergangenen Wochenende musste das Heimspiel der Emder gegen Teutonia Ottensen auf Grund einer Krankheitswelle beim Gegner abgesagt werden. Das letzte Pflichtspiel bestritten die Emder somit am 26. Oktober gegen Eintracht Norderstedt. Im Viertelfinale des Landespokals gelang Emden ein beeindruckender Sieg gegen den VfB Oldenburg: Trotz doppelter Unterzahl nach den Platzverweisen von Julian Stöhr in der 64. Minute und Kai Kaissis in der 110. Minute setzte sich die Mannschaft im Elfmeterschießen mit 6:3 durch. In der Historie des Wettbewerbs konnte der Verein den Pokal in den Jahren 1996, 2000 und 2009 dreimal gewinnen.
Der VfL Osnabrück hingegen ist mit fünf Titeln der Rekordsieger des Niedersachsenpokals und qualifizierte sich damit auch für die 1. Runde DFB-Pokals in der jeweils darauffolgenden Saison. Im Viertelfinale dieser Saison bezwangen die Lila-Weißen den SV Meppen dank eines Last-Minute-Treffers von Jannes Wulff mit 1:0. Der VfL, der im letzten Ligaspiel beim F.C. Hansa Rostock eine 0:2-Auswärtsniederlage einstecken musste, möchte im Pokal nach vier sieglosen Spielen im Ligabetrieb wieder ein Erfolgserlebnis verbuchen.
Die zweite Halbfinalbegegnung des Niedersachsenpokals fand bereits am vergangenen Mittwoch statt. Blau-Weiß Lohne sicherte sich mit einem souveränen 3:0-Sieg gegen den SSV Jeddeloh II den Finaleinzug und damit die Chance auf den zweiten Pokalsieg der Vereinsgeschichte, der gleichzeitig die Teilnahme am DFB-Pokal garantiert.
Die Bilanz
In insgesamt 16 Pflichtspielen standen sich beide Mannschaften gegenüber. Fünfmal ging der VfL dabei als Sieger vom Platz. Sechsmal endete die Partie mit einem Remis und fünfmal musste man eine Niederlage gegen die Ostfriesen hinnehmen. Das letzte Duell fand im April 2007 statt. Am 33. Spieltag der Regionalliga Nord trennte man sich mit einem 1:1-Unentschieden. Nach der 1:0-Führung der Emder durch Nermin Celikovic, konnte der VfL drei Minuten vor Schluss durch den Treffer von Mathias Surmann ausgleichen. Die Partie am Mittwoch ist im Übrigen eine Premiere: Noch nie stand man sich im Niedersachsenpokal gegenüber.
Das Personal
Trotz den Platzverweisen von Julian Stöhr und Kai Kaissis im Viertelfinale des NFV-Pokals muss Trainer Emmerling nicht auf die beiden Akteure verzichten. Das Regelwerk des Wettbewerbs sieht keine Sperre nach einer gelb-roten Karte vor, sodass beide Spieler für das Spiel gegen den VfL spielberechtigt sind. Verzichten muss Emden allerdings auf den verletzten Torwart Moritz Onken. Onken hatte im Spiel gegen Oldenburg drei Elfmeter gehalten und avancierte so zum Pokalheld, kann seine persönliche Pokalgeschichte also vorerst nicht fortführen.
Beim VfL gibt es keine verletzungsbedingten Ausfälle zu vermelden. Zudem ist auch der in der Liga gesperrte Erik Engelhardt im Aufgebot der Lila-Weißen mit dabei.
Stimmen zum Spiel
Kickers Kapitän Tido Steffens schilderte gegenüber der Nordwest Zeitung wie sehr seine Mannschaft dem Pokalabend entgegenfiebert: „Die Füße jucken schon, die Vorfreude in der ganzen Mannschaft ist groß. Wenn wir ausscheiden, dann haben das alle erwartet, aber wir sind in einer guten Verfassung, in der wir auch Profis ärgern und für eine Überraschung sorgen können. Auf die Kulisse herrscht brutale Vorfreude.“
VfL-Trainer Pit Reimers betonte im Spieltagsinterview am Dienstagmittag, wie wichtig das Spiel für ihn und seine Mannschaft ist: „Uns erwartet ein K.O.-Spiel, in dem es um alles geht. Mit einem Sieg qualifiziert man sich für das Finale. Wir treffen auf eine Mannschaft, die vor allem zu Hause uns das Leben schwer machen wird. Darauf sind wir vorbereitet. Aber viel wichtiger ist, was wir morgen abliefern. Unsere klare Marschroute ist, das wir einfach mit 100 Prozent ins Spiel gehen und jeder spürt, der uns da morgen sieht, dass da der VfL Osnabrück kommt. Wir wollen mit allen Mitteln dagegen arbeiten, mit Herz, mit Leidenschaft, aber auch mit einem kühlen Kopf.”
Am morgigen Mittwochabend werden rund 1000 Osnabrücker im Ostfriesland-Stadion erwartet. Reimers möchte den treuen VfL-Fans nach den ernüchternden vergangenen Wochen dann endlich auch etwas zurückgeben. „Die Unterstützung, die uns schon die ganzen Wochen widerfährt, ist unglaublich, gerade an einem Mittwochabend. Es ist unsere Plicht, denen etwas zurückzuzahlen für ihren Aufwand. Das ist uns als Mannschaft total bewusst. Ich möchte einfach jedem, der uns da spielen sieht, egal ob im Livestream oder live im Stadion, zeigen, dass wir alles daransetzen, eine Runde weiterzukommen.“
Livestream und Ticker
Der NFV überträgt die Partie ab 19:00 Uhr kostenlos im Livestream. Der VfL bietet wie gewohnt einen Liveticker auf der Website, sowie in der App an. Das Liveradio muss für das Pokalspiel leider ausfallen.
Text: Jendrik Greiwe
Foto: osnapix