Am Mittwochabend tritt der VfL Osnabrück zum Auswärtsspiel beim TSV 1860 München an (Anpfiff: 19:00 Uhr). Die “Löwen” konnten nach einem schwachen Saisonstart zunächst die Kurve kriegen, ließen aber in den letzten beiden Spielen wieder Punkte liegen. Der VfL dagegen will in München den ersten Auswärtssieg der Saison einfahren. Der Vorbericht.  

Der Gegner 
Für den VfL ist die Auswärtsfahrt nach München mit einer Luftlinienentfernung von 526 km die zweitweiteste der Saison. Aufgrund der Terminierung des Spiels auf einen Mittwochabend im Rahmen der Englischen Woche wird die Mannschaft die Anreise per Flugzeug vornehmen. Die Auswärtsfahrt nach München gestaltet der VfL als Tagestour, reist also am Spieltag an und ohne Übernachtung am gleichen Tag wieder ab. In der Abwägung des Zielkonflikts zwischen Kosten, Nachhaltigkeit sowie sportlichen und regenerativen Interessen haben sich die Lila-Weißen dazu entschlossen, die rund 1.200 Kilometer lange Gesamtstrecke von Osnabrück nach München und zurück per Flieger zurückzulegen.

„Wir haben in sechs Tagen drei Spiele zu bestreiten, darunter das weit entfernte Auswärtsspiel in München unter der Woche. Bei der Reise mit dem Bus würden wir bei 18 Stunden Fahrzeit faktisch zwei Tage für Regeneration nach den Spielen gegen Bielefeld und München bzw. Vorbereitung auf das Spiel am Samstag gegen Saarbrücken verlieren. Deshalb haben wir uns für die Anreise mit dem Flugzeug entschieden“, erklärt VfL-Sportgeschäftsführer Philipp Kaufmann die für den VfL eher unübliche Art der Anreise zu einem Auswärtsspiel.

Mit dem Turn- und Sportverein München von 1860, kurz TSV 1860 München, trifft der VfL auf einen Verein, der auf eine lange Historie zurückblicken kann. Der Verein wurde erstmals am 15. Juli 1848 gegründet, jedoch nach einem Verbot aufgrund „republikanischer Umtriebe“ am 17. Mai 1860 erneut ins Leben gerufen. Die Fußballabteilung entstand am 25. April 1899. Die erfolgreichsten Jahre erlebte man in den 1960er Jahren. In der Saison 1963/64 gewann man den DFB-Pokal, 1966 wurde man Deutscher Meister. Zudem konnte man 1965 das Finale des Europapokals der Pokalsieger erreichen, wo man sich jedoch mit 0:2 gegen West Ham United geschlagen geben musste.

In den folgenden Jahrzehnten durchlebte der Verein sportliche und finanzielle Höhen und Tiefen. Mehrfach stieg man in verschiedenen Liegen ab und wieder auf, verbachte aber die meiste Zeit seiner Vereinsgeschichte in der 2. Bundesliga. Die letzte Erstligasaison erlebte der Verein in der Saison 2003/04. Finanzielle Schwierigkeiten brachten den Verein immer wieder in die Bredouille und 2011 zum Einstieg des jordanischen Investors Hasan Ismaik. Ismaik, der einen Mehrheitsaktienanteil an der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA besitzt, sorgte seitdem immer wieder für Konfliktpotential zwischen ihm, dem e.V. und der aktiven Fanszene. So konnte man unter anderem nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga im Jahre 2017 nicht fristgerecht die nötigen Geldreserven hinterlegen, sodass der Verein keine Lizenz für die 3. Liga erhielt. Es folgte der Abstieg in die viertklassige Regionalliga Bayern. Nach nur einer Saison gelang jedoch der souveräne Aufstieg in die 3. Liga, wo der Verein seit 2018 nun durchgängig spielt. Während man 2021 und 2022 nur knapp den Aufstieg verpasste, als man in beiden Jahren den vierten Platz belegte, musste man in der letzten Saison lange zittern und konnte erst am vorletzten Spieltag den Klassenerhalt sichern.

Seit Januar dieses Jahres ist Argirios Giannikis Trainer der Mannschaft. Der 44-jährige Deutsch-Grieche hat bislang bei 32 Partien an der Seitenlinie der Münchner gestanden und dabei einen Punkteschnitt von 1,5 Punkten pro Spiel erzielt. Zuvor arbeitete Giannikis unter anderem bei Rot-Weiss Essen, dem VfR Aalen und in Griechenland bei AEK Athen. Seine Trainerkarriere begann der gebürtige Nürnberger 2007 als Co-Trainer von Markus Kauczinski, bis er 2017 bei RW Essen als Cheftrainer übernahm.

Einer der Schlüsselspieler im Münchener Offensivspiel ist Julian Guttau. Der 24-Jährige ist nicht nur mit drei Toren einer der Toptorschützen des Teams, sondern konnte bereits auch zweimal erfolgreich seine Mitspieler bedienen. Mit 21 Torschüssen feuerte er zudem mit Abstand (Platz 2 Maximilian Wolfram mit 12 Torschüssen) die meisten innerhalb seines Teams ab. Kapitän Jesper Verlaat spielte nicht nur die meisten Pässe (436), sondern führte auch die meisten Zweikämpfe (175) bei den Löwen. Seine Erfolgsquote liegt dabei bei 66,28%. Im Mittelfeld gibt der Sommerneuzugang Thore Jacobsen das Tempo vor. Der 27-Jährige kam ablösefrei von der SV Elversberg und lief diese Saison in seinen 876 Spielminuten bereits 102,05 km. Der Kader des TSV 1860 München umfasst momentan auch den vom VfL Osnabrück ausgeliehenen Linksverteidiger Florian Bähr. In seinen bisher sechs Einsätzen für die Löwen sammelte der 21-Jährige insgesamt 486 Spielminuten und konnte im Spiel gegen Viktoria Köln bereits eine Torvorlage beisteuern.

Die Ausgangslage
Nach einem schwachen Saisonstart, bei dem man aus den ersten fünf Spielen nur drei Punkte sammeln konnte, hat der TSV sich zuletzt wieder gefangen. Mit Siegen gegen Bielefeld, Hannover II und Dortmund II wurde die Siegesserie zuletzt von Wehen Wiesbaden bei der 2:3-Heimspielniederlage gebrochen. Im so genannten “Straßenbahnderby” gegen die Spvgg Unterhaching trennte man sich am vergangenen Sonntag mit einem 2:2-Unentschieden.

Obwohl den TSV und den VfL tabellarisch neun Plätze trennen, weisen beide Mannschaften kaum signifikante Unterschiede in den Statistiken auf.  So können beispielsweise beide Klubs eine leicht positive Zweikampfquote vorweisen, wobei der VfL mit 51,08% im Ligavergleich einen Platz vor den Münchenern (51,03%) auf Platz fünf steht. Außerdem lieferten beide Teams ähnlich viele Torschüsse ab. Die Münchener konnten aus ihren 132 Torschüssen bislang 14 Tore erzielen. Der VfL dagegen konnte zwar mehr Schüsse aufs Tor bringen (139), aber bislang nur 13 Treffer, und damit einen weniger als die kommenden Gastgeber, feiern. Trotz der statistischen Nähe trennen die beiden Mannschaften in der Tabelle fünf Punkte. Diese Distanz will der VfL am Mittwochabend verkürzen. Nach dem ersten Saisonsieg gegen Stuttgart II, musste die Mannschaft von Trainer Pit Reimers am vergangenen Sonntag eine 1:3-Niederlage im Derby gegen Arminia Bielefeld hinnehmen.

Das Spiel in München wird für zwei Osnabrücker die Rückkehr an ihre alte Wirkungsstätte. Mit Torwart David Richter und Stürmer Joël Zwarts wechselten im Sommer zwei VfL-Akteure vom kommenden Gegner nach Osnabrück. Zwarts verbrachte eine Saison bei den Münchenern und konnte in 22 Spielen sechs Tore sowie eine Vorlage erzielen. David Richter war ebenfalls nur eine Saison beim TSV tätig und kam 13-mal zum Einsatz.

Die Bilanz
In insgesamt 15 Duellen trafen die beiden Mannschaften bislang aufeinander. Dabei konnte der VfL viermal gegen die Münchener gewinnen und musste sechs Niederlagen einstecken. Fünfmal gab es ein Remis. So auch im allerersten Aufeinandertreffen beider Mannschaften im Jahr 1981, als man sich am zweiten Spieltag der 2. Bundesliga mit einem 1:1 im Stadion an der Grünwalder Straße trennte. Der letzte Auswärtssieg des VfL bei den Sechzigern erfolgte im April 2022, als man mit 3:2 durch Tore von Marc Heider, Aaron Opoku und Lukas Kunze gewinnen konnte.

Das Personal
Beim TSV 1860 sind momentan alle Spieler des 25-Mann großen Kaders einsatzfähig. Somit muss Trainer Giannikis auf keine Ausfälle für das Spiel gegen den VfL reagieren und kann aus dem Vollen schöpfen. Gleiches gilt für Pit Reimers auf Seiten des VfL, der ebenfalls keine gesperrten oder verletzten Spieler zu verzeichnen hat.

Stimmen zum Spiel
Trainer Pit Reimers hatte nach der Partie gegen Arminia Bielefeld am Sonntagnachmittag nur wenig Zeit, seine Mannschaft auf das Spiel in München vorzubereiten. Trotzdem sieht er seine Mannschaft für das Spiel am Mittwochabend gut eingestellt. „Inhalte kann man auch innerhalb von zwei Tagen platzieren. Mit Sicherheit nicht mit der Intensität, wie es in einer normalen Trainingswoche sonst vonstattengegangen wäre. Wir sind auf dem Platz, wir können uns taktisch vorbereiten auf den Gegner. Wichtig wird aber sein, dass wir morgen Abend frisch ins Spiel gehen und dann wieder bereit sind, mit hundert Prozent alle Sprints zu machen in beide Richtungen.“

Taktisch haben sich die Lila-Weißen vorgenommen, wieder mehr eigenen Ballbesitz zu generieren „gegen einen Traditionsverein in einem stimmungsvolles Spiel gegen einen Gegner, der auch selbst einen spielerischeren Ansatz hat und den Ball haben möchte.“

Besonders bemerkenswert findet der Chefcoach die unaufhaltsame Unterstützung der VfL-Anhänger, gerade in der sportlich angespannten Situation: „Dass uns so viele Fans nach München begleiten, ist toll und zeichnet den Klub aus. Das ist auch in dieser Situation, in der wir uns als Mannschaft, als Klub, alle gemeinsam befinden, ein tolles Zeichen. Wir wollen da gemeinsam raus.“

TV und Radio
Der Pay-TV-Sender MagentaSport überträgt die Partie ab 18:45 Uhr live. Das Liveradio der Lila-Weißen meldet sich kurz vor Anpfiff unter www.vfl.de/liveradio. 


Text: Jendrik Greiwe
Foto: osnapix